12.-23.08. | Sommerlager in Norwegen
Los geht es an einem Dienstagmorgen. Mit Autos werden wir von Pfadi-Eltern zum Frankfurter Flughafen chauffiert um von dort aus unsere Reise nach Stavanger anzutreten. Ein kurzes ‚Tschüss‘ und dann geht es auch schon zum Schalter um unsere Rucksäcke aufzugeben. Doch wie es bei einer 11-köpfigen Gruppe eigentlich schon vorprogrammiert ist, muss einfach irgendetwas schief laufen. Beim Einsammeln der Personalausweise kommt heraus, dass ein Ausweis zuhause vergessen wurde. Diese Nachricht treibt den Puls der Leiter erst einmal nach oben (ohne Ausweis lässt es sich nun mal schlecht in ein anderes Land einreisen). Zu unserem Glück haben wir jedoch noch genug Zeit um bei der Bundespolizei ein Ersatzdokument ausstellen zu lassen, welches in Norwegen (da Schengenstaat) zugelassen wird. Nochmal alles gut gegangen – jetzt aber schnell zum Gate und hoch in die Lüfte. Auf einem Zwischenstopp in Amsterdam machen wir den „Flughafen-Entdecker-Park“ unsicher und spielen Frisbee am Gate, um uns die Zeit bis zum nächsten Flug zu vertreiben.
Nach Ankunft am Flughafen in Stavanger geht es mit Bus, Fähre und einem weiteren Bus nach Jørpeland, wo wir von heimischen Pfadfindern abgeholt werden. Für die erste Nacht schlagen wir unsere Zelte auf einem schönen und abgelegenen Pfadfinder-Zeltplatz auf. Zwar wurde es zum Abend bitterkalt, aber dafür wurden wir gleich zu Anfang mit einer wunderschönen Landschaft und tollem Sternenhimmel belohnt.
Am nächsten Morgen starten wir mit einem stärkenden Frühstück für den Tag – heute soll die erste Wanderetappe beginnen. Zunächst geht es 7 Kilometer wieder zurück nach Jørpeland, wo wir gerade rechtzeitig ankommen um in den Bus zur Preikestolhytta zu steigen – der Startpunkt der folgenden dreitägigen Wandertour. Jetzt jeder nochmal schnell auf die Toilette und Wasser auffüllen und dann geht’s los. Doch lange müssen wir nicht laufen bis wir uns in einer Schlange wiederfinden, die sich langsam den Pfad zum berühmten Ausflugsziel Preikestolen (zu Deutsch: Predigtstuhl) hinauf schlängelt. Der Pfad ist zwar stellenweise steil, wäre jedoch recht schnell zu meistern, wären dort nicht diese Massen an Touristen, die das gleiche Ziel wie wir haben. An einer Weggabelung legen wir unsere Rucksäcke ins Gebüsch um die letzten Kilometer bis zum Preikestolen ohne das schwere und sperrige Gepäck hinauf zu stapfen, was sich später auch als sehr gute Idee herausstellen sollte. 11 Personen mit großen Rucksäcken auf dem Rücken, Menschenmassen und die senkrecht abfallenden Felswänden wären bestimmt keine gute Kombination gewesen. Touristenattraktion inklusive Nervenkitzel Nr. 1: Check! Jetzt aber schnell weg aus den Menschenmassen und ab in die Wildnis!
Nach ein paar Stunden Wanderung durch lichte Wäldchen mit Blaubeeren soweit das Auge reicht (oder so viel der Magen zulässt), über kleine Bäche und matschige Wiesen, finden wir einen einigermaßen geeigneten Platz um für die Nacht unser Lager aufzuschlagen. Es handelt sich dabei um ein Fels-Plateau in einem Tal. Zwar nicht besonders komfortabel und etwas knifflig um die Zelte abzuspannen, aber dafür mit einer unschlagbaren Aussicht auf die schöne Landschaft. Während das Koch-Team gewissenhaft die klassischen Spaghetti mit Tomatensauce vorbereitet wird auf dem weitläufigen Plateau Frisbee gespielt.
Die Nacht erweist sich als sehr kurz, da dem ein oder anderen durch die sturmartigen Böen, die über die Erhöhung fegen, der Schlaf geraubt wird.
Am nächsten Morgen steht das Leiterzelt da als wäre nichts passiert, während die drei Pfadi-Zelte zwar ohne Schäden aber sichtlich geknickt und unförmig die Nacht überstanden haben. Der starke Wind treibt uns zum Frühstück an einen geschützteren Ort. Kurz darauf und bei bestem Sonnenschein machen wir uns wieder auf, um unsere Tour am Lysefjord entlang fortzusetzen. Auf Empfehlung anderer deutscher Wanderer möchten wir unsere Mittagspause an einem Aussichtspunkt verbringen, wozu wir jedoch den ordentlich markierten Weg verlassen müssen. Ein kleiner Pfad durch Blaubeergestrüpp führt uns schließlich zu einem Fleck mit netter Aussicht. Irgendwie hatten wir uns mehr hiervon erwartet. Aber der Hunger hält uns davon ab nach einem noch besseren Platz zu suchen. Der Weg zurück zum eigentlichen Wanderpfad erweist sich (trotz Kompass, Karte und darauf eingezeichneter Pfade) jedoch als nicht ganz so einfach wie der Hinweg. Ein kurzer aber steiler Aufstieg, der es in sich hat, raubt so manchem einiges an Kraft und Nerven. Schließlich finden wir unseren Weg zurück auf die Route und der Marsch mit sensationellem Ausblick auf den gesamten Fjord wird fortgeführt. Das Ziel für den Tag sollte „Bakken“ sein, eine Rast-Hütte für Wanderer, die jedoch gebucht werden muss. Erschöpft von der Wanderung (und der Extra-Portion Anstrengung aufgrund unseres kleinen Abstechers am Mittag) kommen wir in Bakken an und errichten unsere Zelte auf der Wiese neben der kleinen Hüttenansammlung. Nach einer deftigen Portion Matsch-Nudeln mit Pesto und einer anschließenden Zwischenreflexion beenden wir den Tag und kriechen in die warmen Schlafsäcke.
In der Nacht gesellt sich zu dem heftigen Dauerwind ein wunderbarer Nieselregen. Dieser treibt uns früh und schnell aus den Zelten. Wir flüchten in die benachbarte Hütte um unser Frühstück im Trockenen zu uns zu nehmen. Dann geht es auch schon los zum Ziel unserer ersten Wanderetappe: Songesand, ein kleines Kaff (wenn überhaupt) mit Fähranleger. Über glitschig-nasse Steine und Wurzeln führt uns der Weg zunächst hinunter ans Wasser. Teilweise ist der Pfad sehr steil und es sind Stahlketten an den Felsen notwendig um hinunter zu klettern. Glücklicherweise kommen alle mehr oder weniger heil und ohne größeren Zwischenfälle am Ufer an. Der restliche Weg nach Songesand führt uns direkt am Ufer auf großen Steinen entlang – Balance-Training: Check!
Durchnässt und etwas unterkühlt quetschen wir uns zu elft in das kleine Häuschen am Fähranleger und belagern für gute anderthalb Stunden die Sofas und den Boden des Kiosk. Dafür macht die Kiosk-Frau aber auch einen ordentlichen Umsatz durch die konsumfreudigen Pfadis. Die Fähre bringt uns nach Forsand an den Anfang des Fjords, wo wir unsere Essensvorräte auffüllen und in letzter Sekunde noch Spiritus nachkaufen, der bei Kochen in starkem Wind geradezu verdampft. Die Nacht verbringen wir im Trockenen in der Futterkammer eines Pferdestalls, die der Besitzer netterweise für uns leer räumte.
Am nächsten Morgen bringt uns die gleiche Fähre bis ans Ende des Fjords, nach Lysebotn. Hier gönnen wir uns einen Ruhetag am Campingplatz um neue Kräfte zu sammeln und uns und unsere Klamotten zu waschen. Dort steigen wir auch mit einer ersten Einheit in die Vorbereitung des diesjährigen Versprechens ein.
Um 10 Uhr des Folgetages steht für uns ein Taxi bereit, das uns zum Øygardstølen, dem Startpunkt unserer nächsten Wanderetappe, kutschieren soll, da wir uns die 7 km lange Serpentinenstraße über 750 Höhenmeter nicht zu Fuß antun wollen. Von dort aus beginnt der Auf-und-Ab-und-Auf-und-Ab-und-Aufstieg (ja, richtig gelesen) bis zum berühmten Kjeragbolten. Die 2,5-Stunden-Route führt uns über karge Felsen. Ein Glück sind hier und da Ketten befestigt, die einen vom Wegwehen bewahren. Der Wind ist unglaublich stark – mit unseren großen Rucksäcken auf dem Rücken eine knifflige Angelegenheit. Der Kjeragbolten, ein Steinbrocken eingeklemmt in einer Felsspalte, ist ein weiterer Touristenmagnet. Berechtigt! Der Anblick ist atemberaubend. Sieben der neun Kids wagen den Schritt auf Felsbrocken, Beweisfotos werden natürlich auch gemacht. Nach einer Snack-Pause am Kjeragbolten machen wir uns aus dem Staub und lassen den touristischen Trubel hinter uns, der aber lange nicht so schlimm wie am Preikestolen ist. Ab dann heißt es mal wieder: Schlafplatz suchen. Doch dies ist gar nicht so einfach wenn der Untergrund meistens aus rauen Felsen, Tümpeln oder schwammartigem Moos besteht. Zudem möchte der Wind einfach nicht nachlassen, was die Suche nicht gerade erleichtert. Nach längerem Marsch durch schöne Landschaften finden wir eine mehr oder weniger windgeschützte Wiese direkt an einem großen See. Wir schlagen mal wieder unsere Zelte auf und bereiten uns auf eine windige Nacht vor.
Die Route führt uns am nächsten Morgen zunächst einmal über einen Fluss. Nach längerem Gesuche finden wir endlich eine Stelle, an der man den Fluss trockenen Fußes überqueren kann. Der Weg danach ist beschwerlich und mal wieder sehr matschig-sumpfig. An einem See machen wir Mittagspause und ein paar Pfadis nehmen (freiwillig und unfreiwillig) ein Bad, bevor es auf die Suche nach einem Schlafplatz für die Nacht geht. Diesmal aber finden wir ausschließlich ebene aber sumpfige oder trockene aber steile Flächen, weshalb wir zum Weiterlaufen gezwungen werden und die für zwei Tage geplante Strecke in einem absolvieren. Nachdem wir über mäßig steiles Gelände an einem großen Stausee ankommen, beginnt der Abstieg entlang stillgelegtee Wasserkraftwerk-Rohre nach Flørli. 4.444 Holzstufen gilt es herunterzusteigen – und los! Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir endlich am Fjord an und beziehen müde unser Nachtlager auf einer kleinen Camping-Wiese.
Der nächste Tag startet für uns ganz gemächlich. Erst gegen Nachmittag nehmen wir ausgeruht die Fähre nach Lauvvik um von dort Richtung Sandnes zu fahren. Mit 5 Tagen Wandern „im Gepäck“ lassen wir den Fjord hinter uns und werden in Sandnes von Ivar, einem norwegischen Pfadfinder, abgeholt und in unsere Unterkunft für die nächsten zwei Nächte gebracht: ein voll-ausgestattetes Pfadfinderhaus im Wald. Hier lassen wir es uns gut gehen und kochen in der Küche endlich auch mal wieder Mahlzeiten mit Gemüse und Fleisch. Am kommenden Tag erkunden wir die Umgebung und machen eine kleine Wanderung zum nahegelegenen Badesee, werden aber von einem lustigen Balance-Parcours im Wald aufgehalten, bei dem wir einige Zeit verbringen. Nach einer Mittagspause am See machen sich das Küchenteam und die Leiter auf den Weg zum Einzaufen, während die andere Hälfte schon einmal zum Haus zurück läuft. Die Pfadis leisten ganze Arbeit und kredenzen uns super leckere Pizza, komplett in Eigenregie zubereitet.
Am Tag drauf werden wir von Ivar und einigen weiteren Pfadfinder nochmals in ein anderes Pfadfinderhaus direkt in Stavanger umgezogen, wo wir die restlichen zwei Nächte unserer Reise verbringen. Den ersten Tag verbringen wir in Stavanger und schauen uns die schöne Innenstadt an, gefolgt von weiterer Versprechensvorbereitung. Wir sprechen über Geschichte, Pfadfindergesetze, die Gruppe und allerlei anderes, und während die einen an ihrem Versprechen feilen, planen die anderen die eigentliche Zeremonie gemeinsam mit den Leitern. Am Samstag, dem letzten Tag unseres Sommerlagers, ist es dann soweit. Die alten Pfadis machen sich auf den Weg an den nahegelegenen See um den Versprechensort vorzubereiten und die jüngeren dort zu empfangen. Mit Kanus der norwegischen Pfadfindergruppe geht es, mal wieder bei viel Wind, einmal quer über den See auf eine Insel, wo ein überdimensionierter Bannermast mit dem unterdimensionierten (Ersatz-)Banner aufgestellt wird. Später kommen dann die vier jüngeren Pfadis mit ihren Kanus nach und legen auf einem Felsen direkt am Ufer ihr Pfadfinderversprechen ab. Viele Gruppenfotos später treten wir den Heimweg an, verstauen die Kanus und gehen zurück zum Haus. Dort angekommen gibt es ein für den letzten Abend angemessenes Festmahl mit selbstgeschabten Spätzle, Geschnetzeltem und Gemüse und zum Nachtisch „Robi Roboters Variation der Liebe“.
Um 5 Uhr morgens des folgenden Tages klingelt der Wecker und treibt uns aus den warmen Schlafsäcken – heute ist Abreisetag. Eine Busfahrt, zwei Flüge und eine Autofahrt sind wir wieder in Karlsruhe, wo wir das Lager mit dem traditionellen „Nehmt Abschied, Brüder“ beschließen.
Statistik:
- Wann: 12. bis 23. August 2015
- Wo: Stavanger, Lysefjord, Sandnes
- Dabei waren: Corvin, Lennert, Linus, Aurora, Vincent, Cedric, Kai, Maik, Jan
- Leiter: Patricia Roth, Robert Schittny